Nach einer zehnjährigen Schaffenskrise veröffentlichte Andreas Okopenko 1967 seine Erzählung „Die Belege des Michael Cetus“.
Darin schildert er nicht, wie es zur Selbsttötung seines Protagonisten kam, er verfolgt keinerlei chronische Darstellung, die im Nachhinein erklären würde, wieso dieses verhängnisvolle Ereignis stattfand. Der Autor ist nur der Protokollant der Ereignisse, die Leserinnen und Leser müssen sich die collageartig gestaltete Geschichte aus den Aussagen anderer Figuren, aus Dokumenten und einem Tonbandprotokoll zusammensetzen. Formal gesehen ist die Erzählung eine Montage, ein Beleg eines Sachverhalts, und gibt damit eine Biographie vor, die so sein könnte wie jede andere.
Diese Erzählung kann nicht nur als neue und innovative Form der literarischen Darstellung des Lebens und des tragischen Endes eines Lebens gelesen werden. Vielmehr kann sie auch als ein Beispiel für ein Merkmal, das der österreichischer Literatur immer wieder zugeschrieben wird, gelesen werden: das des Eigensinns.
Vorangegangen ist der Erzählung nicht nur eine persönliche Schaffenskrise, die mit dem Rückzug aus der Öffentlichkeit und den literarischen Kreisen verbunden war, sondern auch die Ausarbeitung seines Literaturkonzepts, in dem der unmittelbare Moment des Geschehens, die Sinnlichkeit des Augenblicks, das Aufblitzen einer Wahrnehmung zur Beschreibung und sogar zur Belegung der Narration wird.
Der Begriff des „Eigensinns“ meint also nicht nur die eigenwillige Gestaltung eines Textes, sondern bei Andreas Okopenko auch den kreativen Umgang mit der von ihm rezipierten Literatur und geistes- und religionswissenschaftlichen Konzepten, von T. S. Eliot bis zu Anleihen beim Zen-Buddhismus.