Im „Kindernazi“ beschreibt Andreas Okopenko seine Beeinflussung und Begeisterung für ein System, das er zunächst mit kindlich-jugendlicher Abenteuerlust in Verbindung brachte. Damit arbeitet er seine eigene Biographie auf und leistet genau das, was die österreichische Gesellschaft als Ganze zu diesem Zeitpunkt hätte leisten müssen. Die ernstzunehmende Auseinandersetzung mit der Begeisterung für den Nationalsozialismus begann in Österreich erst im Zuge der Waldheimaffäre sehr spät.
Auch im „Kindernazi“ vermittelt Andreas Okopenko seine Fluidum-Erlebnisse, aber ebenso die der eingewobenen anderen Figuren. Die Geschichte wird im Roman rückwärtsgewandt erzählt, die Chronologie beginnt mit dem 1. April 1945 und endet im April 1939. Auch hier wird immer wieder die Erzählperspektive und Erzählstimme gewechselt. Andreas Okopenko nimmt mit der Schilderung der „subtilen Mechanismen“ eine politische und in weiten Teilen wissenschaftliche Analyse des Nationalsozialismus vor. Er vermittelt das Empfinden der Kinder in dieser Zeit über die Darstellung verschiedener Figuren, ihrer Erlebnisse und Empfindungen und ist bemüht, „einer ihm einseitig scheinenden Betrachtung eines Sachverhaltes zu entgehen, indem er die Vielfalt der möglichen Eindrücke betont“ (Janetzki, Der Junge, S. 185). Die Zeitumkehr und die Vielfalt der erzählerischen Formen führen zusammen mit der sensiblen Darstellung dazu zu erkennen, wie wichtig diese Zeit für die Heranwachsenden war, auch wenn sie unter terroristischen Verhältnissen lebten. Er schildert präzise, wie die Gefühle von Heranwachsenden dazu ausgenutzt wurden, um für den Krieg konditioniert und verwertbar gemacht zu werden. Dies gilt auch für die für Andreas Okopenko sehr typische und nahezu montagehafte Vorgehensweise der Aneinanderreihung von Gesprächen, Tagebuchnotizen, Abschriften von Flugblättern und nicht zuletzt eingestreuten Fiktionen und Imaginationen seiner Figuren.
In der für ihn charakteristischen, einerseits nüchtern-lakonischen und anderseits die Stimmungen der Figuren genau vermittelnden Beschreibung wendet sich das Ende des Textes zu seinem Anfang hin.