Machine in Residence:
Spielarten elektronischer Literatur
Androiden träumen von ›elektrischen Schafen‹, so hat Philipp K. Dick in seinem Roman über den Blade Runner wissen lassen. Was jener Raspberry Pi träumt, der zur Zeit in der Bibliothek der FernUniversität in Hagen vor sich hindichtet, werden wir wohl nicht erfahren. Zumindest zählt er diese Schafe, so viel ist sicher. Computer dichten und träumen nicht, sie schalten. Aber ist Dichtung nicht wesentlich rhythmische Schaltung von dem, was man die Buchstaben nennt? Unterhalb der Buchstaben spricht, ganz reel, die ›Sprache der Elektrik‹. Sie ist, auf den Algorithmus gebracht, Ausdruck höchster Ordnung, aber sie sucht noch ihre ›Schafe‹, d.h. Signifikanten, um etwas anderes hervorzubringen.
Der Begriff Elektronische Literatur („electronic literature“) umfasst heute das weite Spektrum literarischer Texte, die entweder ihre Entstehung („born digital“), die Charakteristik ihrer Gestaltung oder ihre Rezeption, sofern diese über die bloße Reproduktion des gedruckten Textes hinausgeht, einem digitalen Medium verdanken. Jene Ansätze, das Feld der elektronischen und digitalen Literaturformen zu strukturieren, sind vielfältig. Die umfassende Arbeit Scott Rettbergs zur electronic literature beispielsweise, gliedert sich in fünf Genres: Kombinatorische Poesie, Hypertext-Dichtung, Interaktive und Spiel-Fiktionen, Kinetische Poesie und das vernetzte Schreiben. Dabei bleiben neuere Entwicklungen, wie Arbeiten mit den Verfahren Künstlicher Intelligenz, deutlich unterrepräsentiert. Die Ausstellung unternimmt den Versuch, bewusst unterschiedliche und selektive Blickwinkel auf Einzelthemen der digitalen Dichtung vorzustellen. Dabei soll sowohl die Vielfältigkeit digitaler Literaturformen als auch der entsprechend literaturwissenschaftlich reflektierenden Zugänge deutlich gemacht werden.
In den ›Katalogtexten‹ der Studierenden geht es um:
- Dichtung, die in Verbindung mit KI und Machine Learning entsteht
- Literaturbots auf Social-Media-Plattformen wie Twitter arbeiten
- digitale Medien Literaturgenese und -rezeption verändern
- Die Rolle von Intentionalität und Zufälligkeit bei digitaler Dichtung
- um Parallelen zu und Einflüsse auf Hypertext-Literatur und digitale Kunst bei Andreas Okopenko.
Was verschaltet werden kann, kann sich vernetzen. Die Ausstellung ist ein hybrides Ensemble.
Die Maschine, programmiert von Andreas Jörg, dem unser Dank gilt, dichtet in der Vitrine, umgeben von Büchern, in denen sich Spuren ihrer Familie finden lassen, d.h. entsprechende Programme, Texte, Verse. Namenlos durchsucht sie die Datenbanken nach den Zündworten der Dichter, die erneut zu Blitzen und Buchstaben werden können. Still ist diese Arbeit und anonym und wunderschön.